Ratten mit nach draussen nehmen

Es gibt einige Argumente, die dagegen sprechen, Ratten mit nach draussen zu nehmen und einige Argumente, die dafür sprechen. Oft wird es damit gerechtfertigt, dass die Nasen mit nach draussen kommen, da sie ja von Wanderratten abstammen und diese ja auch draussen leben. Wenn das so ist, dann kann ich mir auch problemlos einen Wolf als Schoßhund halten. Der Vergleich hinkt? Nein, tut er nicht. Farbratten sind domestizierte Tiere, somit hat der Mensch sowohl ihr Verhalten als auch ihre Ansprüche verändert. Da wir alle Farbratten halten, sollten wir auch bei den Bedürfnissen der Farbratte bleiben und nicht mit Wildtieren vergleichen.

Oft wird die Lichtempfindlichkeit der Rattenaugen als Argument aufgeführt. Natürlich schadet es den Rattenaugen, wenn sie direkt in die Sonne schauen, das schadet dem menschlichen Auge ebenso.  Unsere Ratten sind aber durchaus schlau genug, nicht direkt in die Sonne zu schauen und somit werden ihre Augen dann auch nicht geschädigt.

Draussen lauern Krankheiten. In der Tat ist das so, aber da sind wir Menschen wohl die größten Überträger, wir schleppen täglich eine Vielzahl von Milben, Keimen und co mit nach Hause. Viele Rattenhalter haben Hund und/oder Katze, die bringen die Krankheitserreger ebenfalls mit ins Haus. Egal, ob die Ratte mit nach draußen kommt oder nicht, eine gewisse Hygiene im Haushalt muss einfach sein, damit keine Krankheiten oder Parasitenbefall ausbricht.

Oft lese ich, dass das Immunsystem gestärkt wird, wenn die Ratte mit nach draussen kommt. Das stimmt sogar. Im Wohnzimmer unter ständig gleichen Temperaturen hat das Immunsystem nichts zu tun und schläft, kommt es dann zu einer Infektion, muss sich das Immunsystem erst mal warm laufen. Darum lassen wir unsere Kinder ja auch im Matsch spielen, damit das Immunsystem trainiert ist und im Falle eines Falles wach ist und sofort reagieren kann. Allerdings kann man das Immunsystem auch auf andere Art und Weise trainieren.

Dann das Lieblingsargument, Farbratten sind neophob. Nein! Wildtiere sind neophob, es ist eines der wichtigsten Merkmale der Domestikation, dass den Wildtieren die Neophobie weggezüchtet wird, was durchaus anhand von anatomischen Merkmalen nachweisbar ist. Sind eure Ratten ängstlich, so hat das nichts mit Neophobie zu tun, sondern ist in falscher Zucht oder falscher Prägung begründet. Wären unsere Ratten neophob bräuchten wir uns keine Gedanken darüber machen, dass draussen Fressfeinde lauern. Das heißt allerdings nicht, dass unsere Ratten draussen keine Angst hätten und sich nicht erschrecken könnten. Draussen sind viele neue Sinneseindrücke, Gerüche, laute Geräusche usw. Plötzliche Geräusche können durchaus dazu führen, dass die Ratte erschrickt und flüchtet. Ebenso kann es passieren, dass die Ratte sich aufgrund ihrer Neugier vom Menschen entfernt und da sie eben nicht neophob ist, kann sie die Gefahren der Umwelt nicht einschätzen und sieht zum Beispiel in einer Katze keinen Feind sondern einen potentiellen Spielpartner. Wie sowas enden kann, brauch ich wohl nicht weiter erläutern.

Meine Ratte hat Spass dran, wenn ich sie mit raus nehme, sie kuschelt sich dann immer ganz dicht an mich.... ähm nein, Spaß sieht anders aus, dieses Verhalten zeigt eher, dass die Ratte Angst hat und Schutz sucht, das sie irgendwann einschläft ist dann eher ein Zeichen dafür, dass die Angstreaktion Stress für den Rattenkörper bedeutet, der viel Energie kostet und das Tier einfach erschöpft ist.

Ihr seht, über alle Punkte kann man diskutieren.

Komme ich nun zu einem Punkt, der nicht diskutabel ist.

Ratten sind Rudeltiere. Trennt man eine Ratte von ihrem Rudel, so bedeutet das Stress. In manchen Situationen lässt sich das nicht vermeiden, bei einem Tierarztbesuch zum Beispiel. Eine Ratte aber nur zum reinen Vergnügen des Menschen von ihrem Rudel zu trennen, halte ich schlichtweg für egoistisch. Die Ratte kann nicht sagen, dass sie lieber bei ihren Kumpels bleiben würde. Auch weiß das Tier nicht, dass es sich um einen vorübergehenden Zustand handelt. Das Tier hat Stress, negativen Stress. Das hat nichts mit Spass zu tun! Nun könnte der eine oder andere auf die Idee kommen, dann nimmt man halt das gesamte Rudel mit. Gehen wir nur mal von einem kleinen Rudel von drei Tieren aus (wobei das in meinen Augen noch kein Rudel ist (siehe dazu artgerechte Haltung), dann halte ich es nicht für möglich, alle drei Tiere gleichzeitig so zu beobachten, dass Stressreaktionen vom Menschen wahrgenommen werden und mögliche Fluchttendenzen frühzeitig erkannt werden. Davon abgesehen ist die Bewegungsfreiheit der Ratten draussen stark eingeschränkt und eine Interaktion mit den Rudelmitgliedern ist somit nicht möglich, auch eine eindeutige Kommunikation wird eingeschränkt, so kann es zu Missverständnissen der Rudelmitglieder untereinander kommen, was langfristig die Rudelharmonie stören kann.

Wer jetzt immer noch meint, er müsse seine Ratten mit nach draussen nehmen.... ich denke nicht, dass Ratten die richtigen Haustiere für euch sind!